Als Alien auf der Automesse in Detroit fallen einem andere Dinge auf, als den Profis
Der Autoredakteur ist verhindert, doch die wichtigste Messe des Jahres steht vor der Tür. So nutze ich die Gelegenheit und fliege nach Detroit zur North American International Auto Show – mein aller erstes Mal. Die motorisierte Entjungferung. Eigentlich schreibe ich über Kunst und Mode und nutze meinen Führerschein für „Drive-Now“, nicht mal für ein eigenes Auto. Gut, Oldtimer finde ich schön, Geschwindigkeit berauschend und „Fear and Loathing in Las Vegas“, wo der Journalist Hunter S. Thompson mit Whiskey und Drogen vollgepumpt über ein Autorennen schreiben soll, zählt zu meinen Lieblingsbüchern. Seine Quintessenz: Autojournalisten sind Freaks. Das muss mir als Rüstzeug reichen. Der Trip, um den mich meine männlichen Freunde bitter beneiden, kann beginnen.
Tatsächlich erwartet mich ein besonderer Schlag Männer – und wirklich nur Männer. Die Gruppe deutscher Auto-Profis zwischen 18 und 50, die mit mir in Detroit ankommt, ist eine Mischung aus Bloggern und Print-Journalisten. Sie lieben Autos mehr als ihre Ehefrauen und sind mehr unterwegs, um neue Modelle zu testen, als zu Hause. Dass sich eine Frau unter ihnen befindet ist etwa so, als stünde plötzlich eine Ziege bei Hornbach in der Gartenabteilung. „Man muss sich schon beweisen, wenn man kein Mann ist“, sagt ein Glatzkopf mit MIB-T-Shirt, „Man in Benz“. „Nicht, dass sie etwas kaputt macht“, denke ich im Stillen. Schon im Taxi vom Flughafen zum Hotel werde ich also nach den Autos gefragt, auf die ich es besonders abgesehen habe. Der erste kleine Test, von dem noch eine Reihe folgen sollen. Was ich weiß ist, dass auf der Messe ein neuer Beetle Dune vorgestellt werden soll, also sage ich das. Und natürlich die neue Mercedes C-Klasse. Das erweckt Vertrauen und so erfahre ich, was sich der neue Kollege alles ansehen will. Er hat einen eigenen Auto-Blog und kann sogar davon leben. Ich werde die nächsten zwei Tage nicht mehr von seiner Seite weichen.
Er hilft mir, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, doch er fragt permanent Dinge, die mich als Laien enttarnen könnten: Wie ich die Sprit-Abrechnung der Leihwagen handhabe, welches für mich aktuell das wichtigste Auto ist und wie oft ich schon auf einer Automesse war. Ich antworte so charmant wie möglich, das scheint ihm zu gefallen. Dann staune ich nicht schlecht, als wir am ersten Messetag von eigens dafür abgestellten Fahrern die 1.000 Meter vom Hotel bis zum Messegelände gefahren werden. Als ich durch die Türe trete fühle ich mich, als wäre ich auf einem Planeten gelandet, dessen Sprache ich nicht verstehe und dessen Bewohner von Häppchen und Gratis-Kaffe leben. Jetzt heißt es, die Shows der Hersteller der Reihe nach abzuklappern. Jeder Stand hat sich ein teures Technik-Feuerwerk überlegt, um ihre neuen Modelle so zu präsentieren, als wären sie neu erfundene Räder. So wird die Präsentation der Mercedes C-Klasse zur Multimediashow, moderiert vom Daimler-Chef höchstpersönlich. Aha, Dieter Zetsche sieht also ein bisschen aus wie ein freundliches Walross. Danach darf man sich unter seiner Aufsicht in den Schauwagen setzen, was ich auch gleich tue. Sehr zum Ärger der Blogger, von denen jeder als erster ein Foto hochladen möchte – möglichst ohne mich darauf. „Geh aus dem Bild“, ruft einer. Der Wagen soll 100 Kilo leichter sein als sein Vorgänger.
Weitere Fakten: Selbstzünder, 5 Liter, 123 Gramm Kohlendioxid, Allradvarianten, V6-Motoren, AMG-Modell mit Achtzylinder; innen progressive Linienführung, frei schwebendes Zentral-Display und Touchpad in der Armauflage. Notiert. Der zweite Punkt meiner Liste ist die Vorstellung des VW-Beetle Dune. Die Journalisten hängen halb über der Absperrung und klettern sogar auf eine Leiter, um das erste Bild des orange-farbenen Käfers zu schießen. Das Besondere daran ist, dass er für die Stadt und das Land gemacht ist, „crossover“. Das heißt: Er ist höher, breiter und hat ein Schlechtwege-Fahrwerk. Außerdem wurde das Auto auch mit Skiern am Kofferraum ausgestattet, damit man wie beim Ur-Käfer direkt nach der Arbeit raus auf die Piste kann. Warum er dann nach der Wüste benannt ist, wird nicht erklärt.
Auffällig ist, dass ich mich als Laie für völlig andere Dinge interessiere, als die professionellen Kollegen, die zielstrebig mit ihren Smartphones über die Messe streifen und extra Kameras auf Rollen gebaut haben, um die Autos besser von unten fotografieren zu können. Sie lieben die matt-lackierten Geschosse und meterlangen Ami-Schlitten. Mein Interesse wecken dagegen die Ford-Oldtimer, bei denen Details zählten: Geschwungene Lüftungen, Holzarmaturen und silberne Radkappen machen mich glücklich und werfen die Frage auf, warum heute die Autos nicht mehr so aussehen. Sprit-Sparen kann unmöglich der einzige Grund sein, wie die vielen amerikanischen Pickups auf der Messe beweisen. Generell gilt da die einfache Regel: je teurer, desto mehr schöne Details. Also setze ich mich mitten im Trubel für eine Viertelstunde in den Bentley Continental GT V8 S und verspreche mir selbst, erst dann ein eigenes Auto zu kaufen, wenn es dazu reicht: weißes Leder, schwarze Nähte, Ruhe, Ruhe, Ruhe.
Das Fazit: Alle Autos werden leichter, wollen weniger verbrauchen und setzen auf Luxus. Autoblogger sind liebenswerte Freaks mit einer echten Leidenschaft im Leben. Und als Frau muss man doppelt so viel Sachverstand mitbringen, um ernstgenommen zu werden. Das nächste Mal möchte ich gerne zu einem Autorennen nach Nevada. Hunter S. Thompson konnte auch darüber schreiben, ohne wirklich mit einem Auto in Berührung gekommen zu sein. Whiskey kann ich immerhin trinken, wie ein Mann – mit viel Fachsimpelei und ohne dabei das Gesicht zu verziehen.
(Maja Hoock, erschienen in „Intersection“)