Ausgewählte Artikel von Maja Hoock aus dem Fräulein Magazin als PDF-Magazine durch Klick auf das Logo – weitere Texte weiter unten auf der Seite.
Hier geht es zur Reportage „Dreiklang des Frankfurter Bling“ über die Rapperin Schwesta Ewa!

Die Welt kann mich mal; ich hab’ ne Insel (Essay / Maja Hoock)
Ich habe mir gestern Nacht eine Insel gekauft. Bei PrivateIslands.com, für fünf Millionen Euro, in der REM-Phase. Sie lag bei Sizilien und als ich aufwachte, war sie nicht mehr da. Es gab dort keine Politik, keinen Kapitalismus, keine Media-Markt-Werbung und keine Fahrgäste, die mir in der U-Bahn Chips ins Ohr schmatzen. Allen Menschen, die Uli Hoeneß für einen Helden halten oder die Tagesschau für gute Nachrichten, wird der Fuß von einem Schwarm Piranhas abgekaut, bevor sie ihn an Land setzen können. Und weil an solchen Traumgebilden alles perfekt ist, ragen sie so so selbstbewusst aus dem Wasser wie Elfenbeinbusen sich vom Leib schöner Frauen erheben.
Den Traum von der Insel gibt es heute noch, also lange nach der Ära hauptberuflicher Schatzsucher, weil sich Menschen in Großstädten auf die Nerven gehen. Da scheinen sie als Orte, an denen man weit schauen kann, auf keine Hauswand glotzen muss und für sich sein kann; als isolierte Monolithen inmitten von allem, was wir an der Zivilisation ab und zu nicht mehr aushalten. So kommt der latent rückwärts-gewandte Inseltraum vom menschlichen Konflikt zwischen Hochkultur und dem Affen in uns. Robinson wurde nicht zufällig zu Zeiten der Aufklärung schiffbrüchig. Er landete als Gegenpol der immer rationaler werdenden Welt auf einer Insel, die noch nicht mit Vernunft in Berührung gekommen ist. Sein einziger Freund Freitag war ein Wilder und damit das unvernünftige Spiegelbild des Angespülten. Mit dem Stranden, das als Motiv in Literatur und Kino von Crusoe über Gilligan’s Island und Lost reicht, erlangen wir wieder Zugang zur Natur.
Auf Inseln dürfen Gemeinschaften nach eigenen Regeln leben, rosa Pferde anbeten und anarchistisch gefärbten Marxismus mit polyamourösen Zügen erproben. Die abstrakte Idee der perfekten Lebensweise wird in Form von Inseln zu sandiger Materie. Thomas Morus schrieb schon vor 500 Jahren von dem abgeschnittenen Ort „Utopia“, wo es weder Armut noch Neid gibt. Im 18. Jahrhundert sprach man viel von der sagenhaften Liebesinsel der Aphrodite namens Kythera, wo es nur Schönes und Gutes gibt. Bei Michel Houellebecq treibt die Möglichkeit einer Insel, auf der ein anderes Leben möglich ist, die Figuren an, weiterzuleben – die Aussicht auf ein besseres Leben wird zum Daseinsgrund. Lamu ist so ein manifestierter Inseltraum. Auf der zehn mal sechs Kilometer großen Sandinsel vor Kenia leben seit Generationen Schriftsteller weit weg von Beton und Grau. Hemingway hat auf Lamu geschrieben, Prinzessin Soraya von Persien suchte Ruhe und eine Schar Hippies die Freiheit. Sie wussten: Durch die Isolation kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren, auf den Geschmack einer am Lagerfeuer gebratenen Dorade. Regisseurin Frauke Finsterwalder ist dort hingezogen, weil es keine Autos gibt und ihr Mann Christian Kracht, weil er auf Eseln reiten kann. Sicher dachte er beim Schreiben seines Kolonialisten-Romans „Imperium“ an das blaue Wasser mit den Hummern, die Mango-Palmen und die mittelalterliche Stadt. „Lamu darf nicht verschwendet werden“, schrieb Hemingway, denn er wusste, dass man Inseln verteidigen muss. Sonst entwickeln sie einen Ballermann.
Vielleicht reicht es schon, sich ab und zu seine Insel in der Stadt zu schaffen, in Form von Cafés, in denen man Ruhe hat. Auch die eigene Wohnung kann einen retten, wenn man den Tag in der Stadt getrieben ist. Und dann gibt es noch Menschen, die Inseln sind, wenn sie aus der Masse, die einen nicht kümmert, herausragen wie unser ganz persönliches, psychologisch warmes Lamu. Natürlich wissen wir, dass man sich nicht zu tief in die Idee des perfekten Ortes flüchten darf, denn Atlantis, die ideale Insel, ist bekanntlich untergegangen. Doch auf die Möglichkeit einer Insel will ich nicht verzichten. Sie ist mein Rettungsboot, auf dem ich aufrecht treibend der Welt den Stinkefinger zeigen kann.
(Erschienen bei Fräulein)
Lover’s Lover – Anais Nin und die Männern
Maja Hoock

Anais Nins Ruhm begründet sich auf ihren erotischen Tagebüchern, die zwischen Lächerlichkeit und verführerischer Potenz schwanken. Als Gegenentwurf zum zeitgenössischen Fastfood-Porno sollte sie wieder gelesen werden.
In einer Nacht im Jahr 1939 hört diese kleine Frau mit den überproportional großen Augen an Deck eines Dampfers der Schiffsband zu. Als in der Distanz erste Wolkenkratzer auftauchen, schreibt sie in ihr Tagebuch: „Von unserem Platz aus sehen wir ganz New York. Licht und Lärm, körnig, scharf, windig und in jeder Hinsicht das Gegenteil von Paris.“ Die 36-jährige Anaïs Nin lässt zusammen mit einer ganzen Schar von Exilanten das von Nationalsozialisten bedrohte Paris hinter sich. Auf einer Schreibmaschine, die ihm Nin geschenkt hat, wird Henry Miller kurze Zeit später dieselbe Szene beschreiben. Am Horizont New York. Sie wird in seinem Hauptwerk Wendekreis des Krebses erscheinen, in dem er auch die gemeinsame Liebesbeziehung verarbeitet. Miller hat sich bereits in Paris in sie verliebt. Dort hatte Anaïs Nin auch eine Affäre mit Millers drogenaffiner Ehefrau June. „Ich brauche keine Drogen, keine künstlichen Erregungen“, schreibt Nin. Ihr reicht die Libido.
https://www.youtube.com/embed/dwAYGcRqhWQ?version=3&rel=1&showsearch=0&showinfo=1&iv_load_policy=1&fs=1&hl=de&autohide=2&wmode=transparentIm Internet findet man zahlreiche Tonbandaufnahmen von Nins hypnotischer Stimme, die Teil ihrer enormen Anziehungskraft gewesen sein muss. Sie hat diesen seltsamen Akzent mit scharfem R und lang gezogenen, kehligen Vokalen, der wohl von ihrem Hang zur Selbstinszenierung als auch von ihrer Heimatlosigkeit kommt. Nin war eine Nomadin. Ihre dänisch-französische Mutter ist auf Kuba geboren und war Sängerin, der Vater kubanischer Komponist. Anaïs Nin wächst unter dem beeindruckenden Namen Juana Edelmira Antolina Rosa Nin y Castellanos in einem Pariser Vorort auf. Bald schon zieht die Familie weiter nach Berlin, dann nach Brüssel, Barcelona, Havanna und während des Ersten Weltkriegs zum ersten Mal nach New York. Unstetigkeit wird zum Grundprinzip ihres Lebens. Und wie das manchmal bei Kindern ist, die keinen Halt haben, erschafft sie sich eine eigene Welt, die bald zur Obsession wird. Als der Vater die Familie für eine Geliebte verlässt, beginnt Nin als Zehnjährige, massenhaft Briefe an ihn zu schreiben. Die schickt sie zwar nie ab, entdeckt aber das Schreiben als ihr „Opium“. Als man in der Schule ihren Schreibstil verfeinern will, geht sie trotzig mit sechzehn ab. Im Laufe ihres Lebens wird sie um die 35.000 Seiten Tagebuch und einige Romane hinterlassen; meist poetische Überlegungen zu Verlust und Liebe.
Die Obsession mit ihrem Vater, der sie als Kind einmal unvorsichtigerweise als hässlich bezeichnet hat, weil ihr die Haare ausgefallen sind, wird ihr Lebensmotiv. Bald setzt sie alles daran, schön zu sein und Anerkennung von Männern zu erhalten. Sie geht zahlreiche Affären ein. In ihren Zwanzigern arbeitet Nin in New York als Model und Tänzerin, beginnt sich stark zu schminken und sexy zu kleiden. Später lässt sie sich sogar von einem Schönheitschirurgen operieren. 1924 kehrt sie nach Paris zurück, frisch verheiratet mit dem Bankier Hugo Guiler. Doch sie liebt nicht nur ihren Mann, aus dem sie stetig versucht, einen Künstler zu machen – und das schließlich auch schafft, Guiler dreht später unter dem Pseudonym Ian Hugo einige Experimentalfilme. Sie hat unzählige männliche wie weibliche Geliebte. Für diese lernt sie sinnlichen Tanz, macht selbst ihren Tanzlehrer zum Geliebten. Nach einer missglückten Abtreibung stehen die potenziellen Väter im Krankenhaus Spalier. Trotzdem bleiben Nin und Guiler bis zu ihrem Tod verbunden. Ihren Vater trifft sie nur noch einmal. 1933, im Jahr der Machtergreifung der Nazis, verabreden sie sich in einem Hotel. Nin notiert: „Ich liebe den Mann, ich liebe ihn mit meiner Seele … den Mann, den ich überall auf der ganzen Welt suchte, der meine Kindheit brandmarkte und mich verfolgt hat. Es waren Fragmente von ihm, die ich in anderen Männern liebte – und nun war das Ganze da.“ Ob die beiden miteinander schlafen? Das gehört ins Reich der Legenden.

Nins Ruhm begründet sich mehr auf dem, was man ihr zutraut, als auf belegbaren Tatsachen. Sie ist eine Kunstfigur. So weckt Nin bis heute Begehrlichkeiten.Wie ihr später berühmter Liebhaber Henry Miller verdient sie Ende der Dreißiger in New York einen Dollar pro Seite mit schnell geschriebenen erotischen Geschichten. Nin verachtet billigen Porno und teilt das auch ihrem Auftraggeber mit: „Wir hassen Sie. Das Geschlechtliche verliert alle Macht und Magie, wenn es überdeutlich, mechanisch dargestellt wird. Es wird stumpfsinnig.“ Immer wieder stellt sie klar, dass sie diese Lohnarbeit als Wegbereiter für Frauen in der Männerdomäne der Erotika versteht, nicht als anspruchsvolle Literatur. So mischt sie explizite Schilderungen mit Ironie und schreibt Titel wie The House of Incest und Das Delta der Venus, das erst 1977 posthum veröffentlicht wird. Es soll ihr berühmtestes Buch werden. Sie schreibt darin über Männer, die Männer lieben, Transsexuelle, Lesben, Prostituierte und Gruppensex. In einer zeitgenössischen Kritik heißt es, das Delta sei „das schönste, was eine Frau je an erotischer Literatur geschrieben hat“.
Auch wenn Nins Duktus heute manchmal etwas platt erscheint, gehen diese Texte weit über das hinaus, was in der Literaturgeschichte bereits an eindimensional verfassten Erotikbüchern verbrochen wurde. Ohne naiv zu klingen, nimmt sie selbst an den erotischsten Stellen Abstand zu banaler Körperlichkeit: „Ich werde zeigen, dass Frauen niemals Sex von Gefühl getrennt haben, von Liebe oder vom ganzen Mann“, schreibt sie im Vorwort zum Delta. Ihre Protagonistin Elena realisiert beim Lesen von Lady Chatterley‘s Lover, dass sie nie Leidenschaft erlebt hat: „Es war die in D. H. Lawrences Buch unterdrückte Frau, die auch in ihr sprungbereit lag, genauso offen, vibrierend.“ Gut, dass Erlösung ein paar Seiten später zu finden ist: „Etwas von einem wilden Tier war auch in seinen Händen, mit denen er sich im lockigen Delta ihres Schoßes festgekrallt hatte. Er war jetzt nackt und hatte sich in seiner ganzen Länge auf sie gelegt. Sie fand es herrlich, sein Gewicht zu tragen, herrlich, unter seinem Körper zermalmt zu werden.“
Nin schildert Sex souverän aus weiblicher Sicht, was zu ihrer Zeit revolutionär ist, und gesteht Frauen abwechselnd fordernde und hingebungsvolle Rollen zu. Sie müssen bei ihr nicht nur selbstbestimmt und stark sein, sondern können sich auch bewusst unterwerfen. Darin sieht sie eine Freiheit. Später wird sie in den USA und Frankreich zur Inspiration der Fenimnistinnen der zweiten Welle. Anaïs Nin führt mehrere Leben parallel, ist die fürsorgliche Hausfrau genauso wie die Betrügerin, die im Nachtleben zu Hause ist. Ihre Ausbildung zur Psychoanalytikerin macht Nin beim berühmten Therapeuten Otto Rank sowie beim Begründer der Societé Française de Psychoanalyse, René Allendy, die beide ihre Geliebten werden. Neben ihrer Ehe mit Hugo Guiler in New York hat sie eine zweite in Los Angeles. Dort ist der 17 Jahre jüngere Rupert Pole ihr angetrauter Mann. Angeblich erfahren die Männer erst nach Nins Tod 1977 aus der Zeitung von diesem Doppelleben. „Ich erzähle so viele Lügen“, sagt sie einmal, „dass ich sie aufschreiben und in einer Schachtel aufbewahren muss, um sie aufrecht zu erhalten“.
Wichtiger als die Wahrheit war für Nin immer die Idee der totalen Hingabe. Realitäten schaffte sie sich im Geist der Surrealisten selbst. Vielleicht das sogar die zentrale Botschaft Anaïs Nins: „Man lebt so dahin und man glaubt zu leben. Dann liest man ein Buch oder man macht eine Reise, und man entdeckt, dass man nicht lebt, sondern in einem Winterschlaf versunken ist … Monotonie, Langeweile, Tod“, schreibt sie. „Sie arbeiten in Büros. Sie chauffieren einen Wagen. Und dann trifft sie ein Schock, ein Mensch, ein Lied, und weckt sie auf.“ Dieses Potential haben auch die Geschichten Anaïs Nins, ob sie nun literarische Glanzstücke sind oder nicht. Deswegen sollten sie wieder gelesen werden.
Info: Dieser Text erschien im Fräulein Magazin Nr. 14 . Foto: Anais Nin Trust (exclusive copyright!)
Only car thieves left alive (Detroit-Reportage)
Wie die totgeglaubte, schwerkriminelle Stadt Detroit als Abenteuerspielplatz wiederaufersteht
Maja Hoock
„Detroit ist nicht tot, Detroit wird leben“, sagt Tilda Swinton im Vampir-Film „Only Lovers Left Alive“. „Spätestens, wenn die Städte im Süden brennen.“ Miami brennt zwar nicht, aber seine Künstler suchen sich trotzdem günstigere Alternativen. Auch New York ist so teuer, eng und seit dem 11. September polizeikontrolliert, dass es fast anti-kreativ geworden ist. Künstler brauchen Platz für Ateliers, haben oft wenig Geld und wollen sich austoben. Darum erobern sie sich jetzt Detroit.
Die Stimmung dort ist von einem Vampir-Film tatsächlich nicht weit entfernt. Als die Autoindustrie wegging, haben auch die Bürger ihre Wohnungen teils komplett eingerichtet zurückgelassen. In den 1950er Jahren lebten dort fast zwei Millionen Menschen, heute sind es nur noch 700.000. Fast alle Straßen sind leer, Steine brechen von den Bordsteinen und aus den Kanalisationen dampft es. Obwohl die Organisatoren der Detroit Auto Show die Warnung ausgesprochen haben, als Besucher besser nicht alleine durch die Stadt zu fahren, führt uns Miles Michael abseits der toten Innenstadt. Er arbeitet eigentlich im neun Stunden entfernten New York als Künstler und Bühnenbildner, doch gerade hat er sich ein Haus in Detroit gekauft.
Nicht zuletzt die New Yorker Vernissagen, die eher Marketing-Events ähneln, haben ihn wie viele seiner Kollegen aus der Stadt getrieben. Er will als Künstler leben, nicht als Abziehbild seines Berufes, das von Sekt auf Ausstellungseröffnungen existiert. In Detroit kann er durchdrehen: Gerade hat er ein Auto in die Luft gesprengt, denn es gehörte niemandem und die Polizei hat andere Sorgen. Die Stadt in Michigan ist eine der kriminellsten der USA. Die berüchtigte „Eight Mile Road“ trennt die innere Stadt, in der zu 80 Prozent Schwarze leben, von den Vororten der Weißen. Statistisch passiert dort jeden Tag ein Mord und es gibt einen eigenen Gewaltfeiertag, die „Detroit Devil’s Night“, in der Brände gelegt werden. Das ist gefährlich, führt aber auch dazu, dass man sich frei und lebendig fühlt, so als wäre alles erlaubt.
Es ist nirgends so einfach, selbst etwas auf die Beine zu stellen, wie hier
Miles’ neues Haus liegt direkt am belebten Eastern Market, hat nur 15.000 Dollar gekostet und noch weiß er gar nicht wohin mit dem ganzen Platz. Im Keller hat er sein 60 Quadratmeter großes Atelier, oben ein riesiges Büro. „New York klingt für mich vor allem nach Geld und Polizei“, sagt er. „Hier kann ich machen, was ich will.“ Neben ihm hat sein Nachbar aus New York ein Haus gekauft und die original Zwanzigerjahre-Bar im Erdgeschoss renoviert. Daneben haben Freunde ein eigenes Café mit Konzertraum; eine befreundete Fotografin aus Los Angeles errichtet sich gerade ein eigenes Museum mit Buch-Verlag in einer ehemaligen Bank samt verschlossenem Safe für 500 Dollar. Wieder eine andere lebt in einer Art Schloss und Bekannte haben sich das „Treasure Nest“ eingerichtet, eine verdrogte Villa Kunterbunt für Erwachsene. Nirgends ist es so einfach, selbst etwas auf die Beine zu stellen, wie hier.
Mit 2.000 Dollar im Monat kann man sich schon ein Loft leisten, im Prinzip kann man aber auch in eines der 78.000 leerstehenden Häuser ziehen. Die Aufbruchstimmung erinnert an Berlin in den Achtzigern: Alles ist möglich, die Ästhetik ist roh und selbstgemacht. Detroits Künstler sind anti-akademisch, sozial engagiert und machen Outsider-Art wie im „Italian American Pizza Museum“, im „Heidelberg Projekt“, einem riesigen Outdoor-Kunst-Ort, oder im „African Beat Museum“, das einfach seine Umgebung übernommen hat und im ganzen Viertel Kunst verbreitet – natürlich ohne Erlaubnis der Stadt. Brachliegende Flächen werden zu riesigen Gärten, in denen Gemüse und Obst angebaut werden und im Sommer baut man etwas aus dem Schrott, der überall herumliegt oder badet im Erie-See. Miles hat seinen Strand „Miles Beach“ getauft. Die Stadt ist ein Abenteuerspielplatz aus leeren Wolkenkratzern, Museen, Banken und Theatern.
Detroit muss in den 50er Jahren aufregend gewesen sein, als die Art-Deco-Hochhäuser noch belebt waren, man ohne Grenz-Kontrollen über den Fluss nach Kanada fahren konnte, um Alkohol zu kaufen, und an jeder Straßenecke Bands spielten, die hofften, vom Motown-Label entdeckt zu werden. Doch heute ist es ein Modell, wie sich eine amerikanische Stadt nach dem Kapitalismus entwickeln kann: kreativ und alternativ. Eine Oase. Dass es nicht ganz einfach ist, hier zu leben, bewahrt sie davor, zu einem zweiten Brooklyn zu werden.
Erschienen im Fräulein-Magazin